Pastoral Psychologie

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40 Studia Theologica IV, 1/2006, 40 - 52 PASTORALPSYCHOLOGIE Als Teilgebiet und Grunddimension der Praktischen Theologie Drd. Bogdan Blaga, Facultatea de Teologie Catolică, Universitatea Viena Psihologia pastorală- domeniu şi dimensiune fundamentală a Teologiei Practice Psihologia pastorală este o disciplină aproape necunoscută în România. Ea se înscrie la rândul său în cadrul vastului domeniu reprezentat de Teologia Practică. Teologia Practică operează la graniţa de mediere între tradiţie şi actualitate. Psihologia pastorală se concentrază asupra întregii activităţi a Bisericii şi nu doar asupra direcţiunii spirituale. Prin prezentul articol vom încerca să înţelegem locul pe care Psihologia Pastorală îl ocupă printre celelalte discipline ale Teologiei Practice; vom încerca să găsim un răspuns la întrebarea „Ce este Psihologia pastorală?“, şi nu în ultimul rând, să înţelegem Psihologia Pastorală ca domeniu şi dimensiune fundamentală a Teologiei Practice. 0.Einleitung Die Frage nach der Motivation, dem „Warum und Wofür ich diesen Artikel schreibe?“ ist eine zentrale und bleibende Frage für jede/n Forscherin/er. Meine Motivation ist auch mit dem ausgewählten Thema verbunden. Meine persönlichen Kenntnisse über die Pastoralpsychologie bzw. die psychologisch orientierte seelsorgliche Praxis waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht sehr groß. Der Grund dafür ist, dass in Rumänien kaum Interesse für diesen Bereich besteht und es daher auch kaum fachliche Literatur und kompetente Personen gibt. Mit meinem Artikel werde ich versuchen: - den Platz der Pastoralpsychologie unter den anderen Disziplinen der Praktischen Theologie zu verstehen, - eine Antwort auf die Frage „Was ist die Pastoralpsychologie?“ zu bekommen - und die Pastoralpsychologie als Teilgebiet oder/und Grunddimension der Praktischen Theologie zu verstehen. I. Praktische Theologie und Sozial- und Humanwissenschaften Um diese Beziehung besser zu klären und zu verstehen, müssen wir uns von Anfang an eine Frage stellen: Inwiefern kann die Praktische Theologie bei der Lösung ihrer Aufgaben in ein engeres Verhältnis mit diesen Wissenschaften treten? Unser Interesse geht dahin, die Bedeutung der Human- und Sozialwissenschaften für die Praktische Theologie zu erheben und nach der Bedingung der Möglichkeit ihres Zusammenwirkens zu fragen. Was verstehen wir unter Human- und Sozialwissenschaften? Mit einer generellen Beschreibung können wir sie als jene Wissenschaften verstehen,

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Studia Theologica IV, 1/2006, 40 - 52

PASTORALPSYCHOLOGIE

Als Teilgebiet und Grunddimension der Praktischen Theologie

Drd. Bogdan Blaga, Facultatea de Teologie Catolică, Universitatea Viena Psihologia pastorală- domeniu şi dimensiune fundamentală a Teologiei Practice Psihologia pastorală este o disciplină aproape necunoscută în România. Ea se înscrie la rândul său în cadrul vastului domeniu reprezentat de Teologia Practică. Teologia Practică operează la graniţa de mediere între tradiţie şi actualitate. Psihologia pastorală se concentrază asupra întregii activităţi a Bisericii şi nu doar asupra direcţiunii spirituale. Prin prezentul articol vom încerca să înţelegem locul pe care Psihologia Pastorală îl ocupă printre celelalte discipline ale Teologiei Practice; vom încerca să găsim un răspuns la întrebarea „Ce este Psihologia pastorală?“, şi nu în ultimul rând, să înţelegem Psihologia Pastorală ca domeniu şi dimensiune fundamentală a Teologiei Practice.

0.Einleitung Die Frage nach der Motivation, dem „Warum und Wofür ich diesen Artikel schreibe?“ ist eine zentrale und bleibende Frage für jede/n Forscherin/er. Meine Motivation ist auch mit dem ausgewählten Thema verbunden. Meine persönlichen Kenntnisse über die Pastoralpsychologie bzw. die psychologisch orientierte seelsorgliche Praxis waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht sehr groß. Der Grund dafür ist, dass in Rumänien kaum Interesse für diesen Bereich besteht und es daher auch kaum fachliche Literatur und kompetente Personen gibt. Mit meinem Artikel werde ich versuchen: - den Platz der Pastoralpsychologie unter den anderen Disziplinen der Praktischen Theologie zu verstehen, - eine Antwort auf die Frage „Was ist die Pastoralpsychologie?“ zu bekommen - und die Pastoralpsychologie als Teilgebiet oder/und Grunddimension der Praktischen Theologie zu verstehen.

I. Praktische Theologie und Sozial- und Humanwissenschaften Um diese Beziehung besser zu klären und zu verstehen, müssen wir uns von Anfang an eine Frage stellen: Inwiefern kann die Praktische Theologie bei der Lösung ihrer Aufgaben in ein engeres Verhältnis mit diesen Wissenschaften treten? Unser Interesse geht dahin, die Bedeutung der Human- und Sozialwissenschaften für die Praktische Theologie zu erheben und nach der Bedingung der Möglichkeit ihres Zusammenwirkens zu fragen. Was verstehen wir unter Human- und Sozialwissenschaften? Mit einer generellen Beschreibung können wir sie als jene Wissenschaften verstehen,

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die sich auf empirischer Weise mit dem Menschen und seinem Verhalten beschäftigen. Warum sind sie Dialogpartner für die Praktische Theologie? Sie sind als Dialogpartner bezeichnet, weil sie die Lebenssituation des Menschen unter verschiedenen Aspekten (z.B. psychologisch, ökonomisch, soziologisch) erforschen und die Praktische Theologie bei der Analyse gegenwärtiger Situationen1 unterstützen.

1. Ansichten von Praktischen Theologen über die Beziehung von Praktischer Theologie zu den Human- und Sozialwissenschaften Die Praktische Theologie arbeitet an der Schnittstelle der Vermittlung von Tradition und Gegenwart. Aus diesem factum leitet sich ihre Verwiesenheit auf die Human- und Sozialwissenschaften ab. Die Beziehung zu den Human- und Sozialwissenschaften ist „für die wissenschaftstheoretische Begründung der Praktischen Theologie konstitutiv. Denn die Praxis der Kirche und der Christen hat es mit dem Menschen in der Gesellschaft zu tun, und die gesellschaftliche Wirklichkeit des Menschen ist wissenschaftlich für die Theologie nur (noch) in den Forschungsergebnissen der Human- und Sozialwissenschaften präsent.“2

Nach protestantischer Sicht bzw. nach Friedrich Schleiermacher müssten diese Verhältnisse im Licht theoretisch- theologischer Perspektiven gelesen werden, deshalb konnte die Praktische Theologie auf eine „empirisch orientierte Theorie“3 nicht verzichten. Gleichzeitig sieht Schleiermacher zwei Gefahren in dieser Orientierung der Praktischen Theologie.

Die erste Gefahr läge in der „programmatischen Darstellung privater Überzeugungen“4. Die bloßen intuitiven Einschätzungen der gesellschaftlichen Verhältnisse können nicht als vollmundige praktisch- theologische Handlungsanweisungen benützt werden.

Die zweite Gefahr erblickte Schleiermacher in der gänzlichen Abkehr von gesellschaftlichen Zusammenhängen, in ihrem Unberücksichtigtseinlassen und im Sich-Verlegen auf die bloße „Praxis“5. Die Hauptursache des toten Mechanismus in der Praxis liegt im Mangel an Kenntnis des gegenwärtigen Zustandes, sowohl des Lehrbegriffs als auch der kirchlichen Gesellschaft.6

Die Nähe der Praktischen Theologie zu den empirisch orientierten Human- und Sozialwissenschaften zählte demnach zu ihrer „Konstitutionsbedingung“.

2. Modell der Beziehung von empirisch orientierten Human- und Sozialwissenschaften und Praktischer Theologie 1 Stefan Knobloch, Was ist Praktische Theologie? Universitätsverlag Freiburg Schweiz 1995, 221. 2 Sigurd Martin Daecke, Praktische Theologie und Humanwissenschaften. Wissenschaftstheoretische Einführung, in: Klostermann, Ferdinand/ Zerfass, Rolf (Hg), Praktische Theologie heute, München Mainz 1974, 308.

3 Volker Drehsen, Neuzeitliche Konstitutionsbedingungen der Praktischen Theologie. Aspekte der theologischen Wende zur sozio- kulturellen Lebenswelt christlicher Religion. Gütersloh 1988, 37. 4 V. Drehsen, Neuzeitliche Konstitutionsbedingungen der Praktischen Theologie…, 38. 5 V. Drehsen, Neuzeitliche Konstitutionsbedingungen der Praktischen Theologie…, 38. 6 S. Knobloch, Was ist Praktische Theologie? 223.

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Es gibt fünf Modelle der Beziehung von empirisch orientierten Human- und Sozialwissenschaften und Praktischer Theologie: das „ancilla“- Modell; das so genannte „Fremdprophetie- Modell“; das Modell der „konvergierenden Optionen“; das Model der „wechselseitigen kritischen Korrelation“ zwischen Theologie bzw. Praktischer Theologie und Human- und Sozialwissenschaften entwickelt von J. W. Fowler; das Modell begegnet „in Gestalt einzelner Spezialdisziplinen der Praktischen Theologie“7.

Das fünfte Beziehungsmodell begegnet der Praktischen Theologie“ „in Gestalt einzelner Spezialdisziplinen“8. Hier ist an die Religions- und Pastoralpsychologie bzw. Religions- und Pastoralsoziologie zu denken. Diese Disziplinen verstehen sich selbst interdisziplinär. Bei der Anwendung des Begriffs der Interdisziplinarität müssen wir im Falle der Pastoralpsychologie mit Vorsicht herangehen. Es gibt pastoralpsychologische Beiträge, die nicht im Sinne der gegenseitigen Vermittlung von Theologie und Human- und Sozialwissenschaften arbeiten, sondern sie gehen im Stil des Ancilla-Modells mit den Human- und Sozialwissenschaften um.

II. Was ist Pastoralpsychologie? In seine „Einführung in die Pastoralpsychologie“ Scharfenberg sagt über

dieses Gebiet, dass es „noch keineswegs klar umrissen und außerordentlich umstritten ist.“9 Angesichts der verwirrenden Fülle von pastoralpsychologischen Konzepten und Ansätzen ist diese Aussage (Feststellung) sicher richtig. Diese Definition dient uns als Arbeitsgrundlage, als sicherer Ausgangspunkt, von dem aus wir uns vorwagen in die komplizierten pastoraltheologischen Detailprobleme.10

Nach A. Gennrich ist die Pastoralpsychologie „ein Forschungszweig der Theologie, der die Pastorale Tätigkeit psychologisch untersucht.“11

Die Pastoralpsychologie bleibt nicht nur auf der theoretisch- anthropologischer Ebene der Untersuchung von Sachverhalte, sondern sie vertieft diese Untersuchung in die Entwicklung von konkreten seelsorglichen relevanten Handlungsmodelle. 1.Pastoralpsychologie als Psychologie

Die Pastoralpsychologie kann als ein Weg betrachtet werden, ein Weg der die Vielfalt der religiösen Kommunikationsprozesse und- ebenen im Bereich von Religion und Kirche zu untersuchen und umfassender zu verstehen versucht. Weil unsere Realität komplex und vielfältig ist, sie verlangt auch eine entsprechende Vielfalt an Deutungs- und Verstehenszugängen. Ein und dasselbe Phänomen kann aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.12 Die Arbeitsmethode der Pastoralpsychologie konzentriert 7 Mehr über diese Modelle in: Mette, Norbert/ Steinkamp, Hermann, Sozialwissenschaften und Praktische Theologie, Patmos Verlag, Düsseldorf 1983, 166-177. 8 Mette/Steinkamp, Sozialwissenschaften und Praktische Theologie, 172. 9 Joachim Scharfenberg, Einführung in die Pastoralpsychologie, Göttingen, 1985, 8. 10 Walter Rebell, Psychologisches Grundwissen für Theologen- Ein Handbuch, Chr. Kaiser Verlag München 1988, 173. 11 W. Rebell, Psychologisches Grundwissen für Theologen- Ein Handbuch, 173. 12 Michael Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, Neukirchener Verlag 2004, 26.

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sich auf die psychologische Perspektive und bringt sie gezielt in ein interdisziplinäres Gespräch mit Religion, Kirche, Theologie ein. Psychologie ist eine inzwischen selbstverständliche Dimension in der Selbstauslegung der modernen Menschen. Sie bringt- gerade im Blick auf Theologie und kirchliche Praxis- immer wieder eine Differenz ins eingefahrene Verstehen, „sie verfremdet in heilsamer Weise das, was als selbstverständlich schon immer gedacht wird.“13

Dietrich Stollberg definiert in 1968 die Pastoralpsychologie als Psychologie im Dienst kirchlicher Praxis.14 Pastoralpsychologie bezieht sich auf die gesamte Praxis der Kirche und nicht nur auf die Seelsorge. Stollberg erläutert diese Aussage in dreifacher Hinsicht:

(1) Pastoralpsychologie dient der theologischen Erkenntnis (2) Pastoralpsychologie dient der Menschenkenntnis (3) Pastoralpsychologie dient der Selbsterkenntnis.15

Eine wichtige Bedingung für die Entfaltung der Pastoralpsychologie ist, wenn sie theologische oder ethische Vorentscheidungen zeitweise suspendiert und in diesem Sinne so weit wie möglich unvoreingenommen aus psychologischer Sicht analysiert und fragt- und die Ergebnisse dann wiederum mit theologischen Deutungsansätzen in Beziehung setzt.16

Die Pastoralpsychologie muss ihre Auswahlkapazität ausüben, indem sie aus der komplexen Vielfalt der Psychologie als Wissenschaft wiederum das auswählen, was ihr im Blick auf den zur Debatte stehenden Gegenstand als plausibel und weiterführend erscheint.17 „…Die Pastoralpsychologie stellt im Rahmen der Praktischen Theologie den Versuch dar, durch ihre besondere Wahrnehmungseinstellung für kirchliches Handeln bzw. für seelsorgliches Verhalten neuen Spielraum zu gewinnen.“18

2. Pastoralpsychologie als Theologie Pastoralpsychologie repräsentiert nicht nur eine psychologische

Perspektive, sondern sie ist auch ein Teilbereich der Theologie. Sie versteht sich als eine Dimension aller religiösen und kirchlichen Kommunikation. Sie greift die drei Formen neuzeitlicher Religion auf, nämlich die privaten, die kirchlichen und die öffentlichen Gestaltungen.19

Was die Theologie betrifft, die Pastoralpsychologie hat sich ein Proprium- Sicht entwickelt. Die Theologie muss eine subjekthafte Wissenschaft sein bzw. werden, Wissenschaft die dem Zusammenhang von Theologie und Biographie, von Theologie und Erfahrung einen breiteren Raum anbietet. Der Erfahrungsbezug entwickelt sich als ein Kriterium „guter Theologie“; der

13 M. Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 26. 14 Dietrich Stollberg, Was ist Pastoralpsychologie, in: Läpple/ Scharfenberg 1977, 350-359. 15 Für mehrere Erklärungen über diese Positionen und auch kritische Bemerkungen sieh Klessmann, M., Pastoralpsychologie, 26-27. 16 M. Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 27. 17 M. Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 28. 18 Klaus Winkler, Das persönlichkeitsspezifische Credo, WzM 34 (1982), 159-163(b) in: Klessman, M., Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 28. 19 Dietrich Rössler, Grundriss der Praktischen Theologie, New York 1994, 90.

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Erfahrungsmangel dagegen führt zum langsamen aber sicheren Absterben von Theologie und Kirche.

Die Theologie muss konkret und kontextuell sein, um lebendiger zu bleiben. Dazu muss sie die Spannung zwischen einem Lebensereignis und seiner Sinndeutung bedenken (cogito) und ausarbeiten(actio).20 „Pastoralpsychologie leistet Hilfestellung, um den Lebensbezug, den Subjektbezug und die Kontextualisierung von Theologie zu intensivieren.“21

3. Praxis ›› Theorie ›› Praxis - Pastoralpsychologie als Praxis Die Pastoralpsychologie ist auch eine Form der Praxis. Was geschieht

in diese Praxis? In der Praxis geschieht, dass die psychologischen und theologischen Perspektiven im Umgang mit Menschen und ihrer religiösen Kommunikation konvergieren und werden konkret.22 Die pastoralpsychologische Praxis geschieht auf mehreren Ebenen:

- auf der Ebene der kompetenten Seelsorge, Seelsorge die von therapeutischen Erkenntnissen bereichert ist;

- im Umgang mit Ritualen und Symbolen - in der Berücksichtigung von kognitiven und emotionalen

Entwicklungsprozessen usw. Weil die pastoralpsychologischen Fragestellungen erwachsen aus der

Praxis, die Pastoralpsychologen/ Pastoralpsychologinnen müssen eine spezifische Feldkompetenz mitbringen „um den Regelkreis von Praxis›› Theorie›› Praxis selber an einer Stelle und anhand einer exemplarischen Methode nachvollziehen zu können.“23

Hinsichtlich der Praxis, mit der sich Pastoralpsychologie zu befassen hat, besteht keineswegs ein Konsens. Rolf Zerfaß unterscheidet vier Positionen.24

a) Eine erste Position ist von Fachvertretern repräsentiert, die plädieren dafür, Pastoralpsychologie solle sich mit der „Praxis der Kirche“ auseinandersetzen, d.h. mit ihrem „Selbstvollzug“ in der Gegenwart und auf die Zukunft hin. Diese Pastoralpsychologie überwindet die klero- und expertokratische Engführung, „dass sie ausschließlich die hauptamtlichen Seelsorger berufspraktisch auszubilden hätte.“25

b) Andere Autoren fordern eine Praktische Theologie und Pastoralpsychologie die sich „mit der religiös vermittelten Praxis der Gesellschaft“ (Gerd Otto), d.h. nicht nur mit der kirchlich organisierten

20 M. Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 30. 21 M. Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 30. 22 M. Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 34. 23 M. Klessmann, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, 34. 24 Wir werden nur kurz die Positionen beschreiben, für Einzelheiten sieh: Zerfaß R., Inhalte der Praktischen Theologie in: Biemer,G./ Biesinger, A. (Hrsg), Theologie im Religionsunterricht, München 1976, 94. 25 Isidor Baumgartner, Pastoralpsychologie- Einführung in die Praxis heilender Seelsorge, Patmos Verlag Düsseldorf 1990, 54.

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Religiosität, sondern mit der religiösen Tiefdimension der Gesellschaft“26 befasst.

c) Die dritte Gruppe der Fachvertreten von Pastoralpsychologie und Praktischen Theologie kommt am passenden die folgende Formel: Man habe sich zu befassen „mit christlich- kirchlicher Praxis…, d.h. mit jeden Prozessen, die sich zwischen Kirche (als Organisation) und Christentum (als diffusem Raum der gesellschaftlich wirksamen Impulse des Christlichen) abspielen.“27

d) Von anderen Pastoralpsychologen wird die „kirchlich-christliche Praxis“ als Gegenstand ihrer Fachdisziplin als nicht zu bewältigend abgelehnt. Sie fordern sich weiterhin auf die Berufspraxis der hauptamtlichen Seelsorger zu beschränken.28

Die „Christlich- kirchliche Praxis“ als Thema der Pastoralpsychologie hat die größten Chancen, die vielfältigen Erfahrungssituationen der Menschen in Blick zu nehmen. Dann kann sie zu einer christlichen Praxis anregen.

III. Pastoralpsychologie-Teilgebiet und Grunddimension Praktischer Theologie

1.Pastoralpsychologie im praktisch-theologischen Horizont 1.1.Wo steht die Praktische Theologie heute?

Die Positionierung jener theologischen Fächer, die unter dem Dach der Praktischen Theologie stehen, gegenüber den anderen theologischen Disziplinen ist nicht einfach. Deshalb muss sie doch eine eigenständige Arbeitsweise entwickeln, um ihrer Aufgabenstellung gerecht zu werden, nämlich:

- die gegenwärtige Praxis des Glaubens in der Kirche (sowie an ihren Rändern und auch außerhalb) zur Hauptaufgabe erheben;

- diese kritisch an der überlieferten Botschaft messen - und im Gespräch mit der gegenwärtigen Gesellschaft und Kultur

„gedeihlich“ zu verändern. Von dieser Definition aus können wir feststellen, dass der Gegenstand und die Aufgabe der Praktischen Theologie eine komplexe Verfahrensweise (bzw. Methodik) erfordern. Sie muss über den klassischen Bestand an theologischen, historischen und philosophischen Arbeitsweisen hinaus den Kontakt zu den modernen Human- und Sozialwissenschaften (Psychologie, Psychoanalyse, Soziologie, Politikwissenschaft) suchen. Die Praktische Theologie reflektiert die faktisch gelebte „Alltags-Praktische- Theologie“ der einzelnen Christen und Gemeinden auf wissenschaftlichem Niveau29. Sie holt diesen Alltag ein und wird zur „kritischen Theorie“ christlich-gläubiger und kirchlicher Praxis „aus dem Geist Jesu“, wie diese Praxis aus der Geschichte und Überlieferung herkommt, wie sie heute stattfindet und in der Zukunft weitergeht. Sie braucht den Dialog mit den anderen Wissenschaften vom Menschen unumgänglich, um sich ihrer 26 Gerd Otto, Grundlegung der Praktischen Theologie, München 1986, 24. 27 Rolf Zerfaß, Inhalte der Praktischen Theologie, 94 in: Baumgartner, I., Pastoralpsychologie- Einführung in die Praxis heilender Seelsorge, 55. 28 I. Baumgartner, Pastoralpsychologie. Einführung in die Praxis heilender Seelsorge, 55. 29 Paul M. Zulehner, , Inhaltliche und methodische Horizonte für eine gegenwärtige Fundamentalpastoral, in: Fuchs, O. ( Hrsg.), Theologie und Handeln. Beiträge zur Fundierung der Praktischen Theologie als Handlungstheorie, Düsseldorf 1984, 13-24.

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Ziele zu vergewissern („Kriteriologie“) und situationsgerecht zu sein („Kairologie“). Dieser Dialog ist sehr vielfältig, und Ansätze, Schulen, Denktraditionen und deren Ergebnisse dürfen nicht unbedacht übernommen werden. 1.1.1. Die Gefahr der „ständigen Anwendbarkeit“

Wo alle Praxis lediglich als angewandte Theorie begriffen wird, werden auch außertheologische Wissenschaften (Psychologie, Soziologie) nur in der Reichweite ihrer Anwendbarkeit genutzt. Es zählt davon nur, was unmittelbar verwendungsfähig ist und brauchbar erscheint für die Umsetzung theologischer Theorie in kirchlichem Handeln. Statt eine Wissenschaft, z.B. Psychoanalyse, als etwas ernstes und wahres zu betrachten, als eigenständigen Dialogspartner in eine interdisziplinäre Begegnung einzubringen, zählt nur, „was mit der vorgegebenen Theorie-Bestand nahtlos übereinstimmt und sich unmittelbar für die Seelsorge verwerten lässt“30.

Von diesem Standpunkt aus bleibt die Pastoralpsychologie nur als psychologische “Handlungswissenschaft“ im Rahmen der „Anwendungswissenschaft“ Pastoraltheologie. Die Praktische Theologie muss als eine „Theorie kommunikativen Handelns“ angesehen werden, als eine Theorie, die dazu befähigen soll, „Glauben als explizite christliche Praxis zu tradieren, sprachlich sowie symbolisch auszudrücken und gemeinsam mit anderen und stellvertretend für andere zu verwirklichen…“31 Nach dieser Definition der Praktischen Theologie erhält auch die Pastoralpsychologie einen anderen Ort, eine andere Funktion. Wenn man sie als Begegnungsort mit Psychoanalyse, Psychotherapie und Tiefenpsychologie versteht, dann ergeben sich zwei Bedeutungen:

a) Theologie- und pastoralgeschichtlich ist die Aufspaltung von Theorie und Praxis eine wirkliche Tatsache, die schon geschehen ist, Spaltung zwischen christlicher Lehre und Glaubenspraxis, Wissenschaft und Weisheit.

Der Lebensbezug der Theologie war nur noch durch die „Ausgliederung immer neuer praktischer Disziplinen“ zu wahren – in Gestalt zunächst der Moral, -später der Pastoral- und schließlich der Praktischen Theologie32. Von dieser Ansicht erscheint die Pastoralpsychologie als jüngstes Kind dieser Ausgliederung.

b) Die gegenwärtige Situation zeigt, dass die Pastoralpsychologie nicht nur so als Dienerin kirchlicher Praxis begriffen und betrieben werden kann. Ein wechselseitiger Dialog kann nur dann stattfinden, wenn diese Seite der Pastoralpsychologie als Dienerin nicht instrumentell und manipulativ verstanden wird. Er muss mehr als ein Beziehungs- und Verständigungsvorgang verstanden werden, der die Respektierung der

30 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in Baumgartner, I. (Hrsg.), Handbuch…, 43. 31 Norbert Mette, Praktische Theologie als Handlungswissenschaft. Begriff und Problematik, in: Diakonia 10(1979), 198. 32 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in: Baumgartner I., Handbuch…, 43.

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Grenzen und des Eigenbereichs ebenso ermöglicht wie das Beherzigen von Grenzüberschreitungen.

1.2. Zwei Modelle der Zuordnung der Pastoralpsychologie zur Praktischen Theologie 1.2.1. Das Modell der „Hilfswissenschaft“

Dieses Modell beruht letztlich auf dem Anwendungs -Modell der neuzeitlichen Wissenschaft und löst das alte Theorie-Praxis-Problem im Sinne der überkommenen Subjekt-Objekt- Trennung. Das geschieht, indem ich als Subjekt die psychologische Theorie auf eine bestimmte seelsorgliche Praxis anwenden werde, indem ich mit der angewandten Theorie und der Praxis objektivierend umgehen werde. 1.2.2. Das „Interaktions- und Dialog“ Modell

Dieses Modell versteht sich im Sinn einer erfahrungsnäheren, empirisch geöffneten Praktischen Theologie. Hier geht es nicht um die Applikation fertiger Theorie auf eine unreflektiert- vorgefundene Praxis, sondern um ein interdisziplinäres Gespräch, das die Möglichkeit eröffnen soll, anders in den Kreislauf von (theologischer) Theorie und (gläubig-kirchlicher und pastoraler) Praxis hineinzukommen und so „das Praxis- und Theorie-Defizit zu überwinden, das ihr in der Neuzeit immer wieder vorgehalten worden ist“33. Bei diesem Modell des Gesprächs mit einer Form der Tiefen-Psychologie handelt es sich um Pastoralpsychologie im „dimensionalen“ Sinn. Aber wo der Aspekt und das Interesse im Vordergrund stehen, sich bestimmte psychologische Methoden, Techniken und Verstehensmuster auszuleihen oder anzueignen, und dann mit ihrer Hilfe die pastorale Praxis zu optimieren und zu verändern, dort haben wir mit einer Pastoralpsychologie in einem „regionalen“ Sinn zu tun. 2. Pastoralpsychologie- ein Teilgebiet der Praktischen Theologie- Selbsterfahrung als Ausgangspunkt der Pastoralpsychologie

Der Begriff Pastoralpsychologie bringt zwei auf den ersten Blick konträre Bereiche: das profane, religions- und kirchenkritische „Lebenswissen“ der Psychologie und die mit „Pastoral“ angedeutete Wirklichkeitssicht und Praxis des Glaubens. Der Mensch wird von jeder dieser beiden Begriffe in einer bestimmten Weise beschreibt.34

Trotzt allen Differenzen und anthropologischen Grundentscheidungen, die Pastoralpsychologie versucht eine Brücke zwischen Pastoral und Psychologie zu bauen.

Diese Brücke kommt als eine Notwendigkeit für die gegenwärtige Seelsorge und nicht nur. Die Seelsorger/Seelsorgerinnen befinden sich heute

33 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in: Baumgartner I., Handbuch…, 46. 34 Isidor Baumgartner, Pastoralpsychologie- Einführung in die Praxis heilender Seelsorge, 52.

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in komplexen Lebenssituationen. Deswegen ist es notwendig an verschiedenen Trainings, Workshops teil zu nehmen. Diese Teilnahme und die eigene seelsorgliche Erfahrung müssen in Verbindung bleiben: „Wie kann ich die psychologischen Erkenntnisse und Trainingserfahrungen mit meinem Christ- und Seelsorgersein in Einklang bringen und kreativ verknüpfen?“35

Der Ist-Zustand der Pastoralpsychologie kann durch zwei Ansichten verstanden werden:

a. als wichtiger Teilbereich (Sektor) b. als Teilgebiet (Segment) der Pastoraltheologie.

Dieser Ist-Zustand wird als eine Notwendigkeit betrachtet, bei der pastoralpsychologische Kenntnisse und Fertigkeiten zum Handwerkszeug der Seelsorger/innen heute unabdingbar dazugehören. Damit aus diesen Anliegen der Studierenden wie der Lehrenden Realitäten werden, muss das faktische Angebot erheblich ausgeweitet werden.

Wenn dieses Angebot sich ausgeweitet hat, kommt gleichzeitig die Frage dazu: Wie kann die erstaunliche Fülle und Vielfalt von „geerdeten“ psychologischen Methoden und Stilen schon im Theologie-Studium mit der eigenen Erfahrung der Studenten verbunden werden? Die Frage kommt als eine „Warnung“ vor der bestehenden Gefahr, dass dieser bunte Fächer, der sich in verschiedenen Spezialisierungen der Handlungsfeldern der Seelsorge ausgefaltet hat, zu einem schwer überschaubaren Methoden-Arsenal wird, „das in der Studiersituation noch gar nicht sinnvoll genutzt werden kann“36.

Dieser Gefahr muss mit der Kategorie der „Erfahrung“ begegnet werden, der Kategorie die auf die konkrete Studiersituation bezogen und reflektiert wird.

Die amerikanische Seelsorge-Bewegung hat einen großen Wert auf die persönliche Erfahrung schwerer psychischer Erkrankung und Hospitalisierung gelegt. Das hat den Pastor Boisen auf die Idee gebracht, die Menschen, mit denen die Seelsorger/innen zu tun haben, als „living human documents“ zu betrachten. Diese Selbsterfahrung als Ausgangspunkt der Pastoralpsychologie hat Ängste und Proteste auf den Plan gerufen. Man fürchtet, damit werde das Entscheidende am Glauben ausverkauft: sein Gnadencharakter, sein Geschenktsein von außerhalb meiner selbst, was gerade meine Selbsterfahrung in Frage stellt.

Es geht jedoch weder um Erfahrung „an sich“, noch nur um Erfahrung „von sich“ (Selbsterfahrung). Vielmehr macht ein einzelnes Selbst oder auch ein Gruppen- Selbst ganz bestimmte Erfahrungen mit anderen Menschen.

Um diese Fülle von pastoralpsychologischen Verwirklichungsfelder zu integrieren und zum Wirken zu bringen, braucht man die Selbsterfahrung als notwendigen Ansatzpunkt für die Studierenden, die auch ohne konkrete Berufserfahrung mit pastoralpsychologischem Denken und Füllen personal im Kontakt kommen können.

2.1. Selbsterfahrung als „Voraussetzung pastoralpsychologischen Lernens“

35 I. Baumgartner, Pastoralpsychologie- Einführung in die Praxis heilender Seelsorge, 52. 36 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in: Baumgartner I., Handbuch…, 47.

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Bei der Selbsterfahrung als „Voraussetzung…“ müssen zwei Aspekte in Acht genommen werden:

- diese Voraussetzung stammt primär nicht aus der Psychologie, sondern aus der Psychoanalyse - der „Mut zur Selbsterfahrung“ begründet sich für die Pastoralpsychologen primär aus dem Glauben, Glauben die der Selbsterkenntnis ermöglicht und eröffnet.

Die Theologie (in unser Fall die Praktische Theologie), ist ein Ort der Reflexion und Kommunikation- auch über Erfahrungen mit Psychologie in der Praxis des Seelsorgers. Die Pastoralpsychologie ist nicht eine Anwendung irgendwelcher Psychologie in der Seelsorge. „Mit der Pastoralpsychologie verbindet sich viel mehr die Idee einer theologischen Lektüre psychologischer Erkenntnisse im Zusammenhang nicht nur der Praxis des Seelsorgers, sondern der Praxis der Kirche insgesamt. Weil diese Idee sich einfügt in die Intention der Praktischen Theologie, ist die Pastoralpsychologie als eines ihrer Teilgebiete- neben Pastoraltheologie, Pastoralsoziologie, Katechetik, Homiletik… “37

3. Pastoralpsychologie- eine Grunddimension der Praktischen Theologie 3.1. Praktische Theologie als „Verbindungswissenschaft“

J. M. Sailer38 sprach von einer Einigung, die in Jesus und im Geist der Einigung stattfindet, Einigung für die Aufhebung der doppelten Entzweiung, die durch die Sünde zwischen Gott und Mensch, zwischen Mensch und Mensch eintrat.

Diese Feststellung hat Sailer zur der Findung einer Leitidee für das pastorale Handeln in der Kirche geholfen, Kirche „die, Eins mit Christus; nichts will dar als alle Trennungen zwischen Gott und den Menschen aufzuheben und die Vereinigung mit Gott herzustellen“39.

Diese Definition Sailers hilft uns besser die Praktische Theologie als Verbindungswissenschaft, als die Einigungsbemühung zwischen Theorie und Praxis der christlichen Glaubenslebens und des kirchliches Handelns anzusehen. Die Verbindung kommt dort,

- wo der Lebenszusammenhang beider Pole (Theorie und Praxis) auseinander bricht

- und wo die unerwünschte Unterordnung einer über die andere herrschen will.

Hier muss die Praktische Theologie ihre Aufgabe als kommunikative Disziplin einüben. Sie muss daher

selber kommunikativ strukturiert, d.h. gesprächsfähig sein, und über die Fähigkeit der Meta-Kommunikation verfügen, um diese

Verbindungs- und Vermittlungsarbeit leisten zu können40.

37 I. Baumgartner, Pastoralpsychologie- Einführung in die Praxis heilender Seelsorge, 53. 38 Sailer ist einer der Väter einer biblisch orientierten Praktischen Theologie. 39 Hermann Stenger, Eignung für die Berufe der Kirche, Freiburg 1989, 102. 40 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in: Baumgartner I., Handbuch…, 49.

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3.2. Pastoralpsychologie als Grundmuster der Gespräch Praktischer Theologie mit Sozial-Humanwissenschaften bzw. Psychologie

Die Praktische Theologie kann ihren dreifachen Kommunikations-, Vermittlungs- und Verbindungsarbeit auch durch die Pastoralpsychologie gerecht werden. „Sie konkretisiert das In- Beziehung- Setzen und Im- Gespräch- Halten von theologischer Theorie und kirchlich-christlicher Praxis, indem sie sich als praktisch-theologische Disziplin und Dimension die < Brille der Psychologie(n)> aufsetzt und probeweise die Probleme in Kirche und Theologie mit deren Augen anschaut“41.

Mit diesem Blick durch die Brille werden mehrere Dinge deutlich: - die Brille brauchen wir als ein Instrument, als Sehhilfe, um etwas besser, schärfer wahrnehmen zu können. Ich kann nicht willkürlich „instrumentalisierend“ mit ihr umgehen, wie es mir passt, weil das meine Wahrnehmung verzerrt. Die Brille muss in ihre Ganzheit benutzt werden, um festzustellen, ob und was sie mir besser zu sehen verhilft. - die Pastoralpsychologie muss selber ihre Instrumente prüfen und erproben, ob diese Instrumente wirklich passen, ob sie den Spielraum der Wahrnehmung und des Handelns erweitern.42 - wenn wir uns für eine bestimmte Brille entscheiden, kann das eine produktive Spannung erzeugen, Spannung die uns erlaubt, manches vielleicht in neuem Licht anzusehen.

Dieses Bild der Brille hilft uns besser auch die Anwendung der Psychologie zu verstehen, im Sinne, dass wir nicht ein Stück Theorie nehmen und auf ein Stück Praxis anwenden können. Das ist ein sicheres Versagen. Nur durch einen Dialog mit den anderen Human- und Sozialwissenschaften ist Erfolg garantiert.

In diese Option für den Dialog gehören auch subjektiv- biographische und wissenschafts- geschichtliche Motive. Auch hier kommt eine doppelte Aufgabe: - sie soweit wie möglich sich bewusst zu machen und - im Prozess dieser Kommunikation „die Verbindungspunkte, die Naht- und Bruchstellen herauszufinden“43. Die Entdeckung dieser Sichtweisen ist grundlegend, um festzustellen, ob sie zueinander passen, ob sie kreativ sind, oder ob sie nach Gestalt und Gehalt sich als unvereinbar erweisen.

Heribert Wahl hat sich für die Linie der Psychoanalyse entschieden, weil die Selbstpsychologie „für mein praktisch- theologisches Denken und Arbeiten dieses <Passen> (fitting together), das Verbinden zum Thema macht. Dazu verfügt die Psychoanalyse mit ihrem Verständnis des Unbewussten und seiner geschichtlichen Dynamik über ein besonderes Sensorium, um verdeckten Motiven und Mechanismen nachzuspüren. Sie scheint also der erwünschte Gesprächspartner für die Praktische Theologie zu sein, die sich dieser kommunikativen Verbindungsaufgabe stellt. Deswegen ist für H. Wahl die Pastoralpsychologie eine zentrale Grunddimension der Praktischen Theologie und nicht allein ein wichtiges Teilgebiet.

41 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in: Baumgartner I., Handbuch…, 50. 42 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in: Baumgartner I., Handbuch…, 51. 43 H. Wahl, Pastoralpsychologie- Teilgebiet… in: Baumgartner I., Handbuch…, 52.

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IV. Schlusswort

Die Praktische Theologie arbeitet an der Schnittstelle der Vermittlung von Tradition und Gegenwart. Die Beziehung zu den Human- und Sozialwissenschaften ist für sie sehr wichtig und konstitutiv.

Die Pastoralpsychologie kann als ein Weg betrachtet werden, ein Weg der die Vielfalt der religiösen Kommunikationsprozesse und- ebenen im Bereich von Religion und Kirche zu untersuchen und umfassender zu verstehen versucht. Sie versteht sich als eine Dimension aller religiösen und kirchlichen Kommunikation.

Die Pastoralpsychologie kann sich als ein doppeltes Modell für die Praktische Theologie anbieten: das Modell der „Hilfswissenschaft“ oder das „Interaktions- und Dialog“ Modell.

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Klessmann, Michael, Pastoralpsychologie- Ein Lehrbuch, Neukirchener Verlag 2004

Knobloch, Stefan, Was ist Praktische Theologie? Universitätsverlag Freiburg Schweiz 1995.

Mette, Norbert/ Steinkamp, Hermann, Sozialwissenschaften und Praktische Theologie, Patmos Verlag, Düsseldorf 1983 Mette, Norbert, Praktische Theologie als Handlungswissenschaft. Begriff und Problematik, in: Diakonia 10(1979) Otto, Gerd, Grundlegung der Praktischen Theologie, München 1986 Rebell, Walter, Psychologisches Grundwissen für Theologen- Ein Handbuch, Chr. Kaiser Verlag München 1988 Rössler, Dietrich, Grundriss der Praktischen Theologie, New York 1994 Scharfenberg, Joachim, Einführung in die Pastoralpsychologie, Göttingen, 1985 Stenger, Hermann, Eignung für die Berufe der Kirche, Freiburg 1989 Stollberg, Dietrich, Was ist Pastoralpsychologie, in: Läpple/ Scharfenberg 1977 Zerfaß, Rolf, Inhalte der Praktischen Theologie in: Biemer,G./ Biesinger, A. (Hrsg), Theologie im Religionsunterricht, München 1976 Zulehner, Paul M., Inhaltliche und methodische Horizonte für eine gegenwärtige Fundamentalpastoral, in: Fuchs, O. ( Hrsg.), Theologie und

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Handeln. Beiträge zur Fundierung der Praktischen Theologie als Handlungstheorie, Düsseldorf 1984